Die Drei von der Baustelle

Die Ursachen der Krise

Die Kandidat:innen sind Zeichen der Zeit

19-08-2021
 

Kommentatoren und Wahlvolk sind sich einig: die Kandidaten überzeugen nicht, mobilisieren nicht, motivieren nicht. Armin L. ist schlicht der falsche, Annalena B. macht schlicht zu viele Fehler und Olaf S. hat schlicht die falsche Partei – so die Lage am Freitag, dem 13.. Aber würden "bessere" Kandidat:innen die Probleme lösen?

cc – Buschmann, pixabay

Average: 4 (2 Bewertungen)

Für das erwartbare Ergebnis verheisst das nichts Gutes, z.B. drei gleich schwache Parteien. Andererseits sagen uns das die Umfragen der Institute – und wer weiss schon, wen die fragen sollten. Jetzt, vor der Wahl, hilft es nicht, wenn die nach der Wahl – mal wieder – blamiert dastehen. Und bis zur nächsten ist das wieder vergessen.

Das Land leidet schlapp vor sich hin – an seinen Krisen, an einer fehlenden Alternative, an seinen Kandidaten. Die alte Weisheit, nach der das Volk eben die Regierung bekommt, die es verdient, wirft die Frage auf: Wie? Womit hat das Volk diese Kandidaten verdient?? 

Na, allzu lange muss man nicht suchen. Wie Luisa sagt: alle bemurmeln friedlich die Klimakrise, und dann gehen sie nach Hause, Pfannkuchen backen.
Es ist diese pappige Passivität, diese Bräsigkeit, diese opportunistische Trägheit. Seit auch die Grünen mit dem Volk kuscheln und gleichsam Kreide gefressen haben, überwiegt die Geste des allen-gut-und-keinem-wehe, des Einlullens, des Bullshit-Talk. So ein herumschluffendes Wahlvolk, scheint’s, will doch gar kein echtes, kantiges Profil. Der IPCC läutet die Sturmglocken, wir machen in Mass und Mitte. Sascha Lobo diagnostiziert „Weltstress“ – vielleicht hilft eine Wellnesskur? 14 Tage im Yoga-Retreat?  

Als das Wünschen noch geholfen hat, hätte man, wir, das Wahlvolk, sich andere Kandidat:innen wünschen können: einen Herrn Röttgen vielleicht (oder wenigstens den Herr Söder), einen Herrn Habeck; einen Herrn Gabriel am Ende? Die Gremien klüngeln, und wir nehmen es hin. Aber dafür gibt’s doch die Parteien, dass ich mich nicht selbst drum kümmern muss. Oder?! 

Die traurige Frage ist aber doch, ob andere Kandidat:innen, also nur die richtigen Leute, eine Chance haben würden, die Probleme des Landes zu lösen? Das ist sogar eine doppelt traurige Frage! Die einerseits am Konjunktiv leidet – hätte, hätte, Fah …, derlei Diskussionen sind natürlich wohlfeil, folgenlos wie eine Kissenschlacht – und andererseits daran, deswegen doppelt, dass nicht einmal im Indikativ, sprich: mit besseren Kandidaten, eine andere Politik zu erwarten wäre: Das Land leidet zwar an seinen Kandidaten, auch, ja, sie sind aber eben doch nur Zeichen, Repräsentanten einer tiefer liegenden Erstarrung.

Ich sehe drei Ursachen für diese Erstarrung, wenn nicht gar Versteinerung. Sie klingen verschieden, bei näherem Hinsehen, und das ist auch logisch, sind sie jedoch ineinander verzahnt.

I.
Dass wechselnde Topoi die Öffentlichkeit dominieren, Moden der Kommunikation, lässt sich damit erklären, dass Sachverhalte, selbst wenn sie unbestreitbar sind, nicht immer auch sinnfällig werden. Bevor ein Topos zum Trend werden kann – und mit den Ursachen verhält es sich kaum anders –, muss er sozusagen im Rudel auftreten, genauer gesagt: an verschiedenen und immer mehr Stellen in der Gesellschaft, um dann als Zeitgeist, Argument oder Problem erkannt und zum on dit zu werden. Manche schaffen es nie!
Die erste der drei Ursachen, die 

Überalterung unserer Gesellschaft 

diskutieren wir „eigentlich“ seit … Jahrzehnten; die demographische Entwicklung fällt ja nicht überraschend vom Himmel. Seitdem die Nachkriegsgeneration als Babyboomer quasi neu erfunden wurde, seitdem der Generationenvertrag die Rentenkassen nur noch mässig befüllt, seitdem dem Handwerk und dem Mittelstand die Fachkräfte fehlen und bei vielen anderen Gelegenheiten, die nur anders aussehen oder klingen … wissen wir, Deutschland, dass wir ein Problem haben. 

Jetzt, im Wahljahr, zum Beispiel, stellen wir fest, dass beinahe die Hälfte aller Wähler und innen ihre berufsaktive Vita hinter sich haben und, 38 Prozent, bereits über 60 sind. Johannes Schneider bespricht in einem halbklugen Aufsatz („Der heilige Rentner“) das Phänomen ZEITgemäss in identitätspolitischer Perspektive. Von der Politik seit Norbert Blüm „heilig“ gesprochen, suhle der  Rentner sich geradezu in seinen Ansprüchen, im Osten wolle er gar „Wiedergutmachung“. Unter dem Hammer der Verallgemeinerung wird nicht ganz klar, welche dieser Anspruchsnägel sich aus einem Vertragsverhältnis begründen. Dann fällt dem Autor auf: „Auf der anderen Seite sind 14 Millionen junge Menschen in diesem Land demokratisch überhaupt nicht relevant, nicht existent (keine Wahlstimme).“ Diese Beobachtung ist hingegen richtig und auch bedeutsam, zumal wenn die Rede auf die Zukunft kommt; sie hat nur mit dem Renteanspruch nichts zu tun. Dort allerdings, wo die Überalterung ihre nachhaltigsten Flächenschäden anrichtet, an den Schalthebeln, fällt sie diesem Autor nicht ins Auge: nämlich die Überalterung der politischen und institutionellen Entscheidungsstrukturen. Hier liegt der gesellschaftliche, systemische Hase im Pfeffer!

Wer sich ein wenig mit den Einstellungskriterien von Unternehmen auskennt, ja, eigentlich alle, die sich nach ihrem 45. Lebensjahr notgedrungen um einen neuen Arbeitsplatz bewerben mussten, der weiss, dass HR-Abteilungen einem nur notdürftig mit Textbausteinen kaschierten Altersrassismus huldigen. Das ist, einerseits, besonders beklagenswürdig, da die Gesellschaft – ob des prekären und bereits in kritischem Ausmass quersubventionierten Rentensystems – zugleich darauf dringen muss, dass Menschen zunehmend längere Lebensabschnitte in eben diesem Arbeitsleben verbringen. 

Andererseits, auch keine überraschende Erkenntnis, haben die Menschen zwischen 30 und 40 einen – aus Unternehmensperspektive – höheren Wirkungsgrad. Sie verachten die Resignation des „schon-immer-so“, wollen die Dinge vorantreiben, gehen für ihren Erfolg mitunter grosse Risiken ein. Risiken, die sie, erst einmal verantwortlich für Kind und Kegel, eher abwägen und besser vermeiden. Unzufriedenheit gepaart mit Konzentration und Energie, unorthodoxes Denken und Visionskraft gepaart mit Rücksichtslosigkeit und auch Ellbogenmentalität, das sind Lebensabschnittsmerkmale. Unternehmen im Wettbewerb sehen sich darauf angewiesen, dass genau diese PS auf die Strasse kommen. 

Was wir in der Wirtschaft als „normal“ erleben, erreicht das politische Geschehen nicht. Schauen wir in den deutschen Bundestag: über die zurückliegenden Jahrzehnte sehen wir ein gleichbleibendes Phänomen: der durchschnittliche Abgeordnete ist 49,4 Jahre alt (– 45,5 in der FDP-Fraktion, 47,0 bei den Grünen). Am Rande und nicht ohne Ironie: damit schicken die Parteien, gemessen am Durchschnittsalter ihrer Mitglieder (siehe Grafik), ihre junge Garde ins Parlament!

 


Das Durchschnitts-Alter der Parteimitglieder (Quelle)

 

Es stimmt natürlich: wie es die Deutsche nicht gibt, gibt es auch die Abgeordnete nicht. Aber man darf wohl mutmassen, dass im plus/minus 50. Lebensjahr die Phase des Sturm und Drang überwunden ist und das individuelle Handeln sich zunehmend an der „Sicherung des Erreichten“ ausrichtet. Natürlich denkt nicht jeder Abgeordnete täglich an seine Altersvorsorge; dass jedoch jedes weitere Jahr im Parlament rund 250 Euro zum monatlichen Rentenanspruch addiert ist nicht zu verachten – und wohnt als stilles Motto gleichsam im Hinterkopf. Anders gesagt: hat man sich oft genug die Finger verbrannt, wird die Vorsicht zur Mutter der Porzellankiste.

II.
Das ist ja alles bekannt, und … ich verkürze mein Argument zur Kenntlichkeit: Für eine Generation, die noch 2013 das Internet für Neuland hielt, birgt eine Welt im Wandel allerlei Rätsel und Überraschungen. Dass jüngere, die in die Verhältnisse hineingewachsen sind und sie als Lebensausgangspunkt ansehen, damit besser zurecht kommen, als jene, die – „früher war alles besser" – eben diesen Wandel täglich als eine fiese, hinterhältige Realität erleben, liegt auf der Hand.

Gefesselt im Gesetzesdschungel

Geht es in demokratischen Karrieren einerseits nach Dienstjahren, die oft und gern unter dem Stichwort „Erfahrungen“ zusammengefasst werden, so geht es andererseits und vor allem anderen darum, nichts falsch zu machen. Grad haben wir bei Annalena Baerbock gesehen, welche Strudel kleine und kleinste „Fehler“ verursachen können (meine Position erkläre ich hier). Dieser politische und überwiegend inszenierte Aufruhr hat immer auch Kalkül und Intrige, PR und Demagogie im Gepäck. Abseits der grellen Öffentlichkeit, mehr im Allgemeinen und etwas leiser gesprochen, sehen wir hier  aber auch die Ergebnisse einer regulativen und rituellen Kultur. Ein Indiz: Im Bundestag und in den Führungsstrukturen der öffentlichen Administration, der Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltung sowie der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, dominieren Juristen jede Entscheidung (203 von 709 Parlamentarier kommen aus dem Öffentlichen Dienst, 154 haben eine juristische Ausbildung).  

Das ist auch bitter nötig, denn Flora und Fauna des deutschen Gesetzesdschungels sind vor lauter Fussangeln und Bärenfallen trockenen Fusses kaum zu durchqueren – und so erzeugen die Juristen, als grösste Einzelberufsgruppe im Parlament wie in der öffentlich-rechtlichen Verwaltung, faktisch und gruppendynamisch ein Kraftfeld, dem sich die wenigsten widersetzen (können). Von einer Überregulierung des Landes zu sprechen, klingt nur vordergründig wie eine Verlängerung der FDP-Propaganda; sie lässt sich ja belegen. Die Rede geht dann aber nicht, wie bei der FDP, darum, dass die Wirtschaft, bitte schön, tun dürfen soll, was der Markt ihr erlaubt (beinahe im Gegenteil!). Alles Leben in Deutschland ist in Regeln und Vorschriften verkerkert; allein das „NachbR“ (Nachbarschaftsrecht) füllt 271 Seiten, das deutsche „EnergieR“ (das Energierecht, aktuell in der 16. Auflage) bringt es auf 2116 Seiten und wiegt fast eineinhalb Kilo! Ich habe darüber schon einmal gesprochen: die sogenanntenBeck-Texte im dtv“, die quasi-offizielle Zusammenstellung aller deutschen Gesetzestexte, umfassen 72 Bände mit zusammen über 57.000 Seiten. 

A propos Energierecht. Robert Habeck hat einen Teil seiner Reputation dadurch erworben, dass er eine der für die Windenergie so wichtigen Stromtrassen in Schleswig-Holstein – statt in den prognostizierten 15 bis 20 Jahren, die Schätzungen basierten auf Erfahrungswerten – in nur 5 Jahren fertiggestellt und zum Einsatz gebracht hat. Das ist bewundernswürdig; zugleich zeigen Prognose und Erfahrungen die Krankheit der Gesellschaft. Alles, was dieses Land einmal an Kompetenz, Dynamik und auch Spirit ausgezeichnet hat, ist nowadays in unüberschaubare Regularien gefasst und damit nahezu stillgestellt. Und wenn alles das Recht nicht reicht, bleibt immer noch die FDP mit erhobenem Zeigefinger: ob dieses oder jenes denn – überhaupt – verfassungskonform sei?!

III.
Eine Entscheidergeneration, die mehr verwaltet, als gestaltet, dazu ein Struktur, die mit „Vorschriften“, Gutachten oder dem Verweis auf die „Rechtssicherheit“ jede Bewegung be- und nicht selten auch verhindert, und nicht zuletzt ein von Identitätspolitik und politischer Korrektheit vergiftetes, kollektives MindSet – in diesem nahezu idealen Umfeld ist der Skandal zu Hause, den die Medien und ihr Bastard, die Sozialen Medien, ausdauernd und umsichtig bewirtschaften.  

Das Skandalon als Wirtschaftsgut

Eine repräsentative Demokratie, naja, schön wär’s! »Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.« So schrieb ein gewisser Paul Lethe in einem Leserbrief an den Spiegel. Das war 1965. Seither hat sich die Welt weiter entwickelt: die sogenannte Öffentlichkeit gehört inzwischen einer Handvoll Konzernen, die üblichen Verdächtigen, plus: Twitter, Facebook und Google, eine unheilige Allianz. 

Stimmt natürlich nicht: das ist keine Allianz, im Gegenteil. Die Digitalisierung hat der traditionellen Medienindustrie substantielle Verluste beschert. Die Zeitungsauflagen schrumpften (von 21 Mio 2006 bis auf 14 Mio 2018) und mit ihnen die Einnahmen und, als Folge, auch die Redaktionen (von 14.000 in 2003 auf 11.500 Redakteure in 2019) und schliesslich die Umfänge, der verfügbare Raum. Dass auf weniger Raum mehr Qualität stattfände, etwa in dem Sinn: nur „das Wichtigste“ oder „die besten Texte“ – eine naive Vorstellung. 

What business are we in?“ Die radikalisierende Kraft dieser Frage kenne ich aus meiner Zeit als Berater. Die Idee, dass Medien im Informationsbusiness tätig sind oder, sozusagen auf der Metaebene, im Meinungsbusiness, hat sich ebenso überholt wie die Vorstellung von der Qualität. Online lernte man das Clickbaiting; die Methode frass sich durch die Redaktionsköpfe. Heute bewirtschaftet man die Aufmerksamkeit, die Skandal- und Aufregungssucht, niedere Triebe und Affekte. Und eben das vergiftet alles Politische. Wochen-, wenn nicht monatelang begeifern erwachsene, gut ausgebildete Profis ein paar Zeilen überhöhten Lebenslauf, einen unpassenden Lacher oder nicht gekennzeichnete Übernahmen in diesem oder jenem Buch. Während rundherum die Welt brennt oder absäuft, je nach dem, recherchieren die Medien die Schuldfrage und wer was wann wusste. But, wie man so sagt, make no mistakes! 

Das investigative Scherbengericht folgt nicht der Sorge um das Land oder die Kultur, nicht unsere Werte oder die Verfassung werden vor Angriffen oder Verlusten geschützt. Wie Falschmünzer finanzieren Propagandamaschinisten ihre politischen Kampagnenziele mit vorgeschobener Empörung und vorgeblicher Honorigkeit. „Hau drauf“ lautet das feixende Motto und: etwas davon bleibt schon hängen.

IV.
Die Dreifaltigkeit aus Sicherheitswahn, Überregulierung und Skandalisierung bildet unterirdisch ein aggressives Rhizom und hält das Land fest im Griff. Zugleich erzeugt ein schier unaufhörliches Gequassel von Innovation – von Disruptionen gar: bis hin zum eingebauten elektrischen Bleistiftanspitzer –, die Illusion davon, das sich etwas bewegt. Wie beim Applaus für Greta Thunberg geht es um Ablenkung und Entlastung. 

Nun könnte man dagegen halten und – oder mindestens zur Ergänzung – noch viele andere Ursachen für die Krise unseres Landes ausfindig machen, die Finanzindustrie, das Kapital sowieso, die Brüsseler Bürokratie, den schlicht fehlenden Nachwuchs, um mal ganz profan vorn zu beginnen. Tatsächlich ist es schwer, in einer komplexen Verwerfung die Ursachen sauber zu unterscheiden, gar zu beweisen. Und ebenso sicher blieben uns die nachgeordneten Probleme erhalten, auch wenn es gelänge, dem Trio infernale den Garaus zu machen. Man soll ja auch nicht übermütig werden, zumal – das „Wie?“ müsste zuvor noch irgendwie wenigstens angedeutet werden.

V.
„Wir müssen das Rad ja nicht neu erfinden!“ Solange ich denken kann, gehört diese Haltung zu den „Flop Five“ meines Lebens; schlimmer, weil faul und feige, finde ich nur die Haltung jener, die keine Lösung anbieten, aber „schlaue Fragen“ stellen. Die Probleme des Landes werde ich vermutlich nicht lösen, aber ein paar Vorschläge oder wenigstens Ansätze, das, meine ich, ist doch das Mindeste.

Ich fang mal mit den Medien an, weil mir scheint, dass deren prekäre ökonomische Entwicklung und das gesellschaftliche Desiderat auf eine bereits erprobte, wenn auch immer wieder kontrovers diskutierte Lösung zulaufen. Gelänge es, die Medien von ihrem ökonomischen Druck zu entlasten und in einen qualitativen Wettbewerb zurück zu führen, so wäre das sicher ein Gewinn für die ganze Gesellschaft. Den öffentlich-rechtlichen Medien gelingt das ziemlich gut: den vielzitierten Qualitätsjournalismus finden wir hier. Die Polemiken, Verleumdungen und Grenzstreitigkeiten, mit denen die Lobbies seit Jahr und Tag das öffentlich-rechtliche Modell überziehen, haben mit dem Modell selbst wenig zu tun. Hier geht es knallhart und nur um die Interessen der Medieninhaber. Gelänge es also, auch die heute noch kommerziellen Medien öffentlich-rechtlich zu organisieren (nichts gegen eine angemessene Entschädigung), so könnten die – endlich – wieder daran arbeiten, einen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen. Im klein- und mittelgross Gedruckten wären viele Fragen zu diskutieren und dann auch zu beantworten, aber der Ansatz, die Stossrichtung scheint mir mit diesen wenigen Worten bereits hinreichend klar.

Bei diesem Vorschlag liegt die Latte politisch bereits ziemlich weit oben, im rechtlichen Teil liegt sie praktisch im Himmel. Allein die Vorstellung, den Augiasstall des Rechts einmal gründlich auszumisten und gleichsam in einem neuen Corpus Juris Civilis des 21. Jahrhunderts zu konsolidieren, hat bereits im Angang phantastische Züge, auch eine gehörige Portion Hybris. Wie immer gilt aber auch hier: Wo ein Wille wäre, ist auch ein Weg – siehe oben: Robert Habeck. 

Die Rückführung der rechtlichen Grundlagen unserer Gesellschaft auf eine übersichtliche Anzahl von entscheidungsleitenden Prinzipien wäre für das politische wie institutionelle Handeln eine Befreiungsschlag, sozusagen quer durch den rechtlichen Knoten. 
Zu einem Neuansatz des Rechtes führen immerhin auch immanente, sachliche Erwägungen: Mit der Digitalisierung, der KI, der Biogenetik und vielen anderen Entwicklungen ändern sich fundamentale Bestandteile der gesellschaftlichen Organisation: der Eigentumsbegriff steht in Frage, der Arbeitsbegriff wird Stück für Stück ausgehöhlt, sogar unser Menschenbild muss neu gefasst werden. Überdies verlangt die Klimakrise einen grundsätzlichen neuen Ansatz in Fragen der Freiheit. Perspektivisch gibt es viel zu gewinnen: „Das Corpus Iuris Civilis bildete im kontinentalen Europa in stiller Übereinkunft und über nahezu dreizehn Jahrhunderte Dauer, die maßgebliche Rechtsquelle für das Gemeine Recht, …“ (Wikipedia) Wenn das kein Ziel ist! 

Der dritte Punkt, die Überalterung, ist beinahe noch schwerer zu adressieren; hier erwachsen die Widerstände aus der Mehrheit der Gesellschaft – und übrigens ist bereits die Anamnese alles andere als eindeutig. Wir kennen das Problem: in der Frauen“frage“ war die Situation ähnlich. Nicht alle Männer waren Schweine, Vergewaltiger oder diktatorische Patriarchen, in der Summe aber und in den kulturell-kollektiven Mustern diktierte der „männliche Konsens“ der Gesellschaft eine Struktur, in der Frauen mindestens grosse Nachteile erfuhren. In der Generationen“frage“ sehen wir wieder so eine unausgesprochene, nämlich kulturell eingeschwungene „Verschwörung“ – diesmal der Alten gegen die Jungen; natürlich: auch hier ist die Verallgemeinerung „die Alten“ so falsch wie bei „den Männern“.

Mit „OK, Boomer“ haben nachwachsende Generationen ihre Forderung artikuliert: die Alten sollen sich schlicht vom Acker machen. Das ist ja nicht nur eine zu verarbeitende narzisstische Kränkung, man muss zudem, zum höheren Zwecke der gesellschaftlichen Dynamik, mal kurz das bereits angedeutete Rentendilemma ignorieren. Und schliesslich bleibt auch die strukturelle Frage: Und: was wenn die Jungen 50 werden? Der Generationenkonflikt ist ja ein running gag! 

Man könnte damit anfangen, dass in eingeschwungenen, stabilen Gesellschaften die Erfahrungen eines erfolgreichen Lebens schier unersetzlich sind: Die Ruhe, die Gelassenheit, die gesammelten Erfahrungen, Weisheiten und Kenntnisse über allerlei Wechselfälle, die ein Mensch im Verlauf seines Lebens erwirbt, sind bei wiederkehrenden Problemstellungen kaum zu überschätzen.

Das aber beschreibt unsere Welt nicht!

In einem Umfeld steter Entwicklung, grosser Dynamik und unbekannter und überraschender Konstellationen helfen die „Qualitäten des Alters“ weit weniger, nein, sie sind hinderlich, gefährlich sogar. Eben das ist die Situation heute und vermutlich schon seit ein paar Jahrzehnten und wenn nicht in allen, so doch in sehr vielen Bereichen. Eine beeindruckende Lösung findet der Film (und das Buch) Enders Game: die Alten müssen erkennen, dass sie der Aufgabe nicht gewachsen sind. Zugleich müssen sie schlau genug bleiben, den jungen Ender auf seine Aufgabe vorzubereiten, zu begleiten und psychisch zu ermächtigen (bis hin zu dessen Täuschung über den wahren Charakter des Spiels). Nehmen wir das allegorisch: soll das exekutive Revirement früh(er) einsetzen, müssen die Alten gleichsam in den Aufsichtsrat wechseln – denn nachhaltig gelingen könnte das Manöver nur, wenn nicht, wie in der Revolution, die herrschende Clique im Kopf-ab-Verfahren durch eine andere ersetzt würde. 

VI.

Jaaaahh, schöne Vorschläge, das; nur noch kurz die Welt retten … klar. Gut dass wir drüber gesprochen haben: gehen wir Pfannkuchen backen.