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Haben wir „italienische Verhältnisse“?

Ist das Land unregierbar?

12-12-2017
 

Viele Journalisten sind dazu übergegangen, die Probleme der SPD als die Probleme eines Martin Schulz zu verkapseln. Na klar, das ist die Logik der politischen Berichterstattung: nicht die Lage ist schwierig, sondern das handelnde Personal ist unfähig. Trainerwechsel!

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Wir sind ein Volk von Fussballtrainern.

Die Probleme der Regierungsbildung illustrieren lediglich die Probleme des Regierens: Nichts geht. Aber alles hausgemacht.

Die SPD inthronisiert einen möglichen Aussenminister auf der Position des Kanzlerkandidaten und, was schlimmer ist, des Parteichefs. Schulz war wie viele Jahre in Brüssel? Seit 1994! Ist es da verwunderlich, dass die Partei ihn auskegelt? War es Kalkül oder Überzeugung, Schulz mit messianischen Erwartungen zu terrorisieren? Seine „institutionelle“ Stärke im EU-Parlament (mehr war es ja nicht) basierte auf einer gewachsenen institutionellen Kompetenz und einer „gesicherten“ institutionellen Position; als Kandidat dagegen kennt er weder die Herausforderungen des Weges (er ist der Spielball seiner Berater), noch die des Zieles: Martin Schulz hat kein Bild von der Zukunft. Dass aber ihn seine „Berater“ chaotisieren konnten, liegt auch und vor allem an seiner mangelnden innerparteilichen Kompetenz. Das zeigt sich auch jetzt: es ist die Stunde der Obskuranten: ein Kooperationsmodell! Die Idee hätte von einem Unternehmensberater stammen können. Schulz ist der Aufgabe nicht gewachsen, das stimmt; der Fehler und die Schuld jedoch liegen bei seiner Partei, und damit meine ich die Apparatschiks und Seilschafter.

Das Problem der CDU dagegen ist einzig und allein die Schuld der Kanzlerin. Das fing schon mal damit an, dass sie nicht in die SPD oder in die Grünen eingetreten ist, als das zur Debatte stand. In der Folge dieser Fehlentscheidung hat sie, wie in jeder schlechteren Beziehungskomödie, jahrelang versucht, ihre(n) Partner, die Partei, umzuerziehen. Mit mässigem, nur scheinbarem Erfolg, denn sie liess jeden machen, wie er oder sie wollte, es sei denn, sie, die Kanzlerin, wollte „auch mal was“ entscheiden. Was selten genug vorkam, dann aber stets Welle machte. Angela Merkel hat nicht geführt, sondern zugelassen und moderiert – oder durchregiert. Jetzt, wo inhaltliche Führungsqualitäten gefragt sind, zeigt sich: sie hat sie nicht. Weil sie kein Bild von der Zukunft hat. Das ist ihr eigentliches Versäumnis: dass sie die eher ruhigen Zeiten (es war ja nicht immer 2008) nicht genutzt hat, einen intellektuell zureichenden Zukunftsentwurf ausarbeiten zu lassen.

Den, sollte man glauben, hatte Christian Lindner. Leider, das war ein Irrtum. Ideen, das ja, aber ein brauchbares Modell, das nein. Das ComeBack der FDP ist eine grosse und staunenswerte Leistung, das Kommunikationstalent des Vorsitzenden ist von unterhaltsamer Überzeugungskraft. Dass er aber Jamaika hat platzen lassen zeigt, dass er die Notwendigkeiten seiner Position ebenso wenig verstanden hat wie diejenigen der Zukunft des Landes und des Kontinentes (oder er hat sein Verständnis einem lediglich parteilichen Kalkül geopfert; oder ... halb zog es ihn, halb sank er nieder: auch das ist eine Option). Programmatisch hätte Jamaika zusammengebracht, was das Land jetzt braucht: ökonomisches Augenmass und europäischen Gestaltungswillen, ökologische Überzeugungskraft, ordnungspolitische Weitsicht, und eine rechtspolitische Gradlinigkeit, bei der nicht das rechte Drittel der Bevölkerung zu den Rattenfängern schielt. Für diesen Überblick war Lindner zu klein. Vermutlich hat er damit sein politisches Schicksal besiegelt.

Auch den Grünen fehlt ein Bild von der Zukunft. Ihre ökologische Dringlichkeit ist angemessen, ihre faktische oder wenigstens öffentliche Flexibilität war strategisch richtig. Falsch war, diese Position der grünen Geschäftsordnung zu opfern. Ich habe Verständnis für entnervte Verhandlungspartner, wenn die Verhandlungsführer offenbar über kein Mandat und, was schlimmer ist, auch kein berechenbares Entscheidungsmodell oder, was auf das Gleiche hinausläuft: keine innerparteiliche Durchsetzungskraft verfügen. Das MindSet und das Personal der Grünen ist in den späten 80er Jahren festgefressen. Sie haben ihren USP nicht weiterentwickelt und vor allem, sie haben ihn nicht einmal organisatorisch abgesichert.

Jetzt laufen „unter ferner“ noch ein paar randständige Kräfte, deren Zukunft in der Vergangenheit liegt. Insgesamt scheint mir, dass die demokratische Ausdifferenzierung ihr Ziel verfehlt hat. Soo viele politische Positionen stehen schlicht nicht zur Verfügung; und wenn das stimmt, wäre der Rest „nur“ kluge Personalpolitik. Die Linke sollte also mit der SPD mergen, dann wäre die SPD jedenfalls wieder eine sozialdemokratische Partei. Die CDU sollte mit den Grünen mergen, Herr Kretschmann kann das managen, das steht schon länger an. Die AfD sollte mit der CSU mergen, Gleiches zu Gleichem und Ruhe am Rand. Nach einer solchen Entwicklung hätten wir „endlich“ auch wieder Volksparteien und die FDP hätte vielleicht auch wieder eine „Rolle“.