C R E D O – FRISCHER GLAUBE FÜR 2024

Glaub doch was Du willst!

Was schert mich mein Geschwätz …

10-01-2024
 

Bekanntlich steht dieser Blog unter dem Motto: Ich ändere meine Meinung häufiger, als mir lieb ist. Das ist nur am Rande ein wenig Koketterie, überwiegend liegt es daran, dass ich vielschichtig unwissend bin und breitgefächerte Vorurteile habe (nicht!: pflege), und die dergestalt auf schwachen Fundamenten errichteten Meinungen sich ändern (müssen), wenn neue, oder – aus der Perspektive dieser Insuffizienz – überraschende Sachverhalte hinreichend glaubwürdig erscheinen.
Dann (und nur dann) gilt: was schert mich ...

Politik ist Glaubenssache

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So ein 1. Januar (jaa, es dauert …, jetzt ist schon der 7., 8.,  …10.) erscheint mir eine gute Gelegenheit, mich meiner Standpunkte zu versichern. Hhm, alle werde ich nicht erwischen …

Assange
Die Verfolgung von Julian Assange ist ein Staatsverbrechen.

Atomkraft
Endlose Debatte, keine neuen Argumente. Mein Urteil stand früh fest: „Nein danke“, mit der Faust. Und natürlich! hatte sich meine Meinung geändert, als es um die Verlängerung ging; nur eben nicht grundsätzlich. Es war/ist unverantwortlich, intakte Atomkraft durch Kohleverfeuerung zu ersetzen.
Gelegentlich, wenn von „neuen, modernen“ Kraftwerken gesprochen wird, die – noch ist das Theorie – gebaut werden könnten, fällt der Begriff „Thorium“. Eigentlich nichts Neues: Dabei handelt es sich um eine Technologie aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, so hatte es eine TV-Doku berichtet (auf Arte, soweit ich mich erinnere). Sie, die Technologie, wurde, hiess es dort, auf Drängen nicht näher benannter „Militärs“ nicht weiter verfolgt, weil mit ihr kein Bomben-fähiges Material erzeugt werden kann. In dem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die Atomkraft mit gewaltigen staatlichen Subventionen gefördert wurde; das hatten Gremien zu entscheiden, in denen, wer weiss welche, Interessengruppen vertreten waren. Das … ist Vergangenheit. Was das Thorium betrifft: Ich geriet in turbulente Verunsicherung, als ich erstmals davon hörte, das war 2016. Ich werde hier keine Fachkenntnisse vorschützen: ich habe verstanden, dass diese Technologie in der Lage sei, „verbrauchte“ Brennstäbe zweit-zu-verwerten. Zudem gilt sie als radikal weniger Risiko-behaftet, weil eine Kernschmelze nicht möglich sei, und erzeuge schliesslich nur einen beinahe vernachlässigbaren Bruchteil an hochradioaktivem Müll. Etwaige Nachteile kenne ich nicht (möglicherweise gehören hier hin die abgebrannten Brennstäbe, die ja erst einmal vorhanden sein müssen …); aber das wüsste ich gerne genauer!
Warum, meine Frage, beschäftigen sich die Grünen nicht mit dem Thema?

Baerbock
den Ansatz der Werte-gestützten Aussenpolitik halte ich für eurozentrisch-paternalistisch-neo-kolonialen Kappes. Insofern kann es nicht überraschen, dass ich Frau Baerbock in einer ideologischen Vergangenheit verorte. Immerhin: Dafür, dass ich sie nach den Wahlkampfskandalen bereits abgeschrieben hatte, hält sie sich im Tagesgeschäft einigermassen. Zudem besteht Aussenpolitik nicht aus Parteitagsreden; wo konkrete Projekte ins Werk gesetzt werden, fälle ich mein Urteil abhängig vom Projekt. Kampfjets für Saudi-Arabien halte ich für skandalös, Aufbauhilfe für die Impfstoffproduktion befürworte ich.
Im Grundsatz – jedoch – geht es in der Aussenpolitik darum, die Beziehungen eines Landes zu anderen „zu managen”. Im Zentrum dieser Aufgabe stehen wie auch immer geartete Interessen, seien sie unterschiedlich, kompatibel oder gleich=gerichtet. Ich bin inbrünstig der Meinung, dass man mit Verbrechern keine Beziehungen pflegen sollte – in der Politik, mehr noch in der Aussenpolitik, ist das keine Option. Und dabei gilt nicht nur: „… der werfe den ersten Stein.” Wie in den Beziehungen zu Katar, der Türkei oder China leicht nachzuweisen, ist es zuweilen opportun und „im besten Interesse unseres Landes”, alle Forderungen von Moral und Ethik auf das launige Kamingespräch nach Feierabend zu vertagen.
Hier droht Bigotterie. Immer!
Ich halte es deswegen für den besten Weg, Beziehungen ganz zu vermeiden, wo sie nicht vertretbar sind, und Ausnahmen davon nur dann zu machen, wo „höhere Interessen” das zwingend erfordern (Beispiel: Geiseln). Rein wirtschaftliche Interessen fallen darunter nicht – systemrelevante Notstände mögen Ausnahmen legitimieren. Doch auch dann: harte Deals, statt wachsweiche Konzessionen.
Tatsächlich kann man das auch anders formulieren: Eine wirklich Werte-geleitete Aussenpolitik würde im Zweifel den eigenen Nachteil riskieren, den Systemkollaps womöglich.

China
ist kein Entwicklungsland, selbst wenn das für weite Teile des Landes (? genau weiss ich das gar nicht) immer noch zutreffen sollte, und so halte ich entsprechende Rücksichten für falsch. Punkt. Aber auch die jüngst „strategisch“ neu ausgerichtete Aussenpolitik gegenüber China (Partner, Wettbewerber, Systemrivale) erscheint mir eher … wischiwaschi.
Die Grundlagen des chinesischen Erfolges basieren auf dem generalsstabsmässig organisierten, staatlich sanktionierten Diebstahl geistigen Eigentums; selbst wo sich das inzwischen geändert haben mag, ändert das die Vergangenheit nicht; und auch in der Gegenwart, etwa bei den Technologien der Chipherstellung, verfolgt und exekutiert China kriminelle Machenschaften (siehe dazu Ezra Klein). Es gab – und gibt vielleicht immer noch – Abwägungen, das internationale Recht nicht zu jedem Zeitpunkt durchsetzen zu wollen, etwa, weil VW in China Autos verkaufen will …, lang- und schon mittelfristig erweist es sich als Fehler. Zu den ökonomischen Perspektiven gehört ausserdem unbedingt, dass China der größte Emittent von CO2 ist – und weiter neue Kohlekraftwerke baut und ans Netz bringt (grosse Investitionen in erneuerbare Energie verbessern die Bilanz … ein wenig). Zudem verfolgt das Land in der Region, in Afrika und weltweit neo-imperiale Strategien, und sein autokratisch-repressiver Umgang mit Oppositionellen ist inakzeptabel.
Geopolitisch steht mein Blick auf China in einem engen Bezug zu meiner Sicht auf die USA und dann münden beide Bewertungen in meiner Position zu Europa.

Demokratie
Mein Herzensthema, das schwierigste! Ich habe im zurückliegenden Jahr eine quantitative Demokratie-Hypothese formuliert, naja: ich bastele daran herum. Mit allen nur denkbaren Skrupeln habe ich schon öfter dargelegt, dass ich mit der Demokratie Probleme habe. Dabei gibt es konzeptionelle und operative Aspekte.
In den konzeptionellen Bereich gehört die erwähnte Hypothese. In einem Gespräch mit Roberto Simanowski kam mir der Satz in den Sinn: „Du kannst mit 1,4 Milliarden Menschen keine Demokratie veranstalten!” Der Satz war spontan in die Tüte gesprochen, überraschenderweise „las ich Simanowski zustimmend” und bekam damit eigentlich erst den Anstoss, diesen Gedanken weiterzuverfolgen.
Die Frage ist dann: Wo eigentlich schlägt die Quantität in eine Qualität um.
Als unsere demokratische Blaupause betrachten wir die griechische Polis, das waren vielleicht 40 Tausend Menschen, plus/minus. Mir jedenfalls leuchtet sofort ein, dass es politisch-organisatorisch-gruppendynamisch-sachlich-und-psychologisch leichter fällt, in einer Kleinstadt zu demokratischen Entscheidungen zu gelangen, als mit Millionen. Und genau daraus wachsen dann auch die operativen Aspekte meiner Kritik. Längst exekutiert die repräsentative Demokratie – 80 Mio Menschen passen einfach nicht in den Bundestag – nichts anderes als den Top-down-Ratschluss der in ihr vertretenen Parteien; das Mandat verkommt zum legitimierenden Vorwand. Und gerade weil! diese demokratische Praxis inzwischen so undurchlässig für die „eigentlich zu repräsentierenden” Forderungen ist, entstehen immer neue Gruppierungen (die dann ihrerseits mit ihren Mandaten stiften gehen …) Dann kommt die sachliche Ebene: Es ist ja mit Händen zu greifen, dass das politische Gefüge unfähig ist, dem Problemdruck mit überzeugenden Weichenstellungen und Entscheidungen zu begegnen. Erstens geht es alles zu langsam; was nur deswegen eine berechtigte Feststellung ist, weil inzwischen die (technologisch getriebenen) Rahmenbedingungen der Gesellschaft ein unglaubliches Veränderungstempo aufnötigen – und, nebenbei, andere Grossstrukturen durchaus angemessene Reaktionszeiten vormachen. Zweitens beherrschen Lobbies und Interessen den Rückraum (um nicht zu sagen: die Hinterzimmer) des politischen Handelns. Diese Kräfte sind drittens in einem Ausmass an der Vergangenheit orientiert (Stichwort: Automobilindustrie), dass einem um die Anschlussfähigkeit des Landes Angst und bange sein muss. Und viertens trägt diese „Gemengelage” dazu bei, dass die eigentlichen, wirklichen Probleme, Klimawandel, Digitalisierung, Finanzindustrie, Migration, kaum, nicht oder falsch adressiert werden.
Und da soll einen der demokratische Grusel nicht überwältigen?!

Data
Der Datendiebstahl, mit dem wenige grosse, globale Player „die Menschheit“ enteignet haben, ist einer der grössten politischen Skandale der zurückliegenden 50 Jahre. Raubrittertum war nix dagegen. Eher früher als später sollten diese Datenbestände in eine neutrale Institution überführt werden. So schwer ist das gar nicht, praktisch. Es ginge sogar ohne die bestehenden Daten der Unternehmen zu „enteignen” oder zu konfiszieren: Gäbe es eine solche Institution, hätte jeder Mensch einen Account und eine Schnittstelle, über die der Datenverkehr mit dem „übrigen” Netz fliessen würde.
Probleme unterwegs, keine Frage, doch im Prinzip hat Wikipedia die meisten gelöst. Grössere Probleme, auch keine Frage, wenn es darum ginge, ein solches Projekt (global) umzusetzen. Bis hin zu Kriegen!, ich mach mir da nichts vor. Auf der anderen Seite: In der Folge des sogenannten Gülen-Putschversuches hat die Türkei binnen Tagen „alle” (vermeintlichen) Mitglieder und (vermuteten) Sympathisanten identifiziert, verhaftet, entlassen oder sonstwie „behandelt”. Wer nicht verstehen will, wie das mit den Datenbeständen von Unternehmen zusammenhängt, dem ist nicht zu helfen. Auch von den Hintertüren der NSA und der „five eyes” war hinreichend die Rede …
Wenn sich meine Meinung in dieser Frage über die Jahre geändert hat, so nur, indem sie radikaler wurde …

Endzeit
Guillaume Paoli nennt die Probleme unserer Zeit (in seinem Buch „Geist und Müll”): das Desaster. Damit will er ausdrücken, dass die katastrophalen Entwicklungen „im Einzelnen” zu eng und zu kleinteilig gedacht werden. An anderer Stelle spräche man vielleicht von einem ClusterFuck. Seit „Planet First” vertrete ich ungefähr die gleiche Meinung. Zwischenzeitlich glaubte ich, dass der „Weltuntergang” ein über Jahre, vielleicht Jahrzehnte sich hinziehender Prozess werden würde. Das glaube ich nicht mehr; wenn „es” passiert, ein Auslöser, kommt es knüppeldick. Paoli hat dazu den passenden Satz geschrieben (wobei die hier genannte „Hitzezeit” nur einer von vielen möglichen Auslösern wäre):

„Das Desaster kann nämlich mit keiner Einzelfigur dargestellt werden, es ist niemals im Singular, sondern besteht aus einer Kaskade heterogener Ereignisse, die sich gegenseitig verstärken. Hitzezeit bedeutet … potenziell auch Dürre, Wasser- und Lebensmittelknappheit, Seuchen, Unterbrechungen der Versorgungsketten, Hyperinflation, Verteilungskonflikte, Krieg, Flucht, Vertreibung, und noch einiges.“ (S. 50)

Europa
ist der Schauplatz des grössten Versagens der „aktuellen” Politikergeneration nach 2010 – mit deutschen Politikern in den Hauptrollen. Zunächst muss man einräumen, dass es den europäischen Politiker 2008 ff „gelungen” ist, den Systemkollaps zu vermeiden. Bei Yannis Varoufakis kann man nachlesen, wie es dazu kam; immer noch eine fantastisch-gruselige Lektüre. Dazu der Nebensatz: Ich kann – natürlich – nicht einerseits effektives Handeln fordern, und mich dann beschweren, wenn es geschieht.
Der damals abgewendete Kollaps verleppert sich seither in einer Abwärtsspirale politischer Gleichgültigkeit und – auch das – Dummheit. Nachdem Emmanuel Macron in seiner Sorbonner Rede (das war am 24. Sep 2017) einen Startschuss für eine europäische Neubestimmung gegeben hatte, muss man heute sagen: das übrige Europa hat den Schuss nicht gehört. Zunächst vertändelte die deutsche Regierungsbildung (wir hatten am 26. September gewählt, da war Macron noch in den Nachrichten) jedes Momentum, weil Herr Lindner nicht und auch die SPD „lieber nicht” (weiter) regieren wollte. Dann rief der Präsident zur Ordnung, und die SPD liess sich rufen. Nach sechs Monaten endlich, am 14. März, gab es eine deutsche Regierung. Und auch die hatte es nicht eilig, mit Macron ins Gespräch zu kommen. Zwar kam der im April nach Berlin, doch die Regierung Merkel liess ihn freundschaftlich auflaufen. Statt einen europäischen Neustart zu begrüssen, sind wir seither Zeugen eines Sturmlaufs der Anti-Europäer.
Die Entwicklung Chinas und mehr noch der USA (unter Trump, und erst recht im Falle seiner Wiederwahl) zeigen, dass nur ein föderales Europa eine Chance wahren könnte, im Weltgeschehen als Faktor erhalten zu bleiben. Wir müssen dagegen mit anschauen, wie Ungarn den gesamten Rest Europas am Nasenring durch Brüssel führt. Und als wären die obstruktiven Positionen der Vizegrad-Staaten keine Feuerschrift, werden weitere Ländern als Beitrittskandidaten gekürt, OHNE dass die europäischen Prozeduren (vor allem in Sachen Mehrheitsentscheidungen, aber auch mit Blick auf die Doppelkommissare, die Gurkenkrümmungsgesetzgebung, den Agrarwahnsinn, und was nicht noch alles im Argen liegt) neu ausgerichtet würden.
Und von Guy Verhofstadt einmal abgesehen, kümmert es kein Schwein, ob die Briten vielleicht doch wieder beitreten. DAS wäre wichtig – nicht noch mehr Einzelinteressen in der Kakophonie –, umso mehr nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine! !

Feminismus
Als alter weisser Mann kann ich wenig zum Thema beitragen, klar. Eigentlich nichts. Tatsächlich, aber wen interessiert das, habe ich meine Meinung geändert: ich war einst glühender Verfechter, zunächst der Emanzipation und dann des Feminismus, der sich damals noch als linke, logische Fortsetzung präsentierte. Inzwischen bin ich davon ab. Nicht von der Emanzipation, nicht von der Gleichberechtigung, nicht von der gleichen Entlohnung, nicht von …, ich will nicht langweilen, hier gäbe es eine mittellange Liste von Gleichheiten oder Angleichungen, die ich allesamt befürworte. Ab bin ich von allem, was der ideologische, identitäre Feminismus mit sich gebracht hat, dem Gendergedöns vorneweg. Hanno Sauer (in: „Moral – die Erfindung von Gut und Böse“, München 2023) beschreibt das so:

„Das Ohnmachtsgefühl, das darin besteht, gerechte Zustände nicht einfach durch Fingerschnippen verwirklichen zu können, machte es irgendwann unwiderstehlich, diejenigen Dinge zu ändern, die sich, anders als widerspenstige Institutionen, eingeschliffene Gewohnheit und eine träge Infrastruktur, verhältnismäßig leicht reformieren lassen. Für urbane Eliten heißt das: unsere Sprache.” S. 280

(Sauer ist (in den beiden letzten Kapiteln) auch der Meinung, dass die sprachliche Ebene sehrwohl von Bedeutung sei und etwaige Empfindlichkeiten auf etwaige geistige Verhärtungen hindeuten könnten. Ich werde darüber nochmal nachdenken ...) 
Eben diese ideologische Wendung (des Feminismus) gab den Anstoss und Beginn aller Identitätspolitik, und die halte ich für eine politische Regression sonder gleichen! Divide et impera. Was hiess das noch mal gleich?
Ich muss das allerdings auseinanderhalten: der radikale, ideologische Feminismus, wie ihn Judith Butler et. all. vertreten, ist als Haltung eher in der „Elterngeneration“ (boomer/x) präsent, als in y/z-Jugend. Die nämlich lebt mit leichtfüssigem Selbstverständnis eine bedingungs- und begründungslose Anspruchshaltung, sowohl im beruflichen, wie auch im privaten Umgang. Und das mit einem potemkinschen Politikverständnis, das hinter einer Fassade politischer Korrektheit gern hedonistische Zielvorstellungen verfolgt. Die FAZ glaubt zu wissen, dass roter Lippenstift inzwischen eine feministische Aussage sei. Ich erinnere: „No Future“, Tanz auf dem Vulkan, alte Parolen, und habe insofern abschnittsweise Verständnis; der Punk gibt sich Pink und mit Netzstrümpfen, jetzt aber mit sexy Bustier und Cowboystiefeln von Isabel Marant.
Wie gewarnt: der alte weisse Mann; jeder sieht, was er sehen kann (oder will).

Grüne
Die Partei versagt – an der FDP. Eigentlich an der Presse. Seitdem die privaten SMS/Mails von Matthias Döpfner bekannt wurden, in denen er Julian Reichelt aufgefordert hatte, publizistisch die FDP zu promoten („Lindner ist zu weich“, oder so ähnlich) müssen wir nicht mehr rätseln, wie alles mit allem zusammenhängt. Ich bin überrascht, dass Springer den Kammerton setzen konnte, und die Meute hinterher hechelte. Vor allem habe ich Mühe zu verstehen, wenn die taz und die FAZ und die SZ wie im Chor in das gleiche Horn pusten. Wer – nach den Döpfner-Leaks – den Lärm rund um das Heizungsgesetz – es war ein Entwurf!, der durchgestochen wurde – immer noch nicht als inszenierte Intrige liest, um Habeck zu desavouieren und seinen „gefährlichen” Höhenflug zu brechen (das, und nur das) ...  der müsste nochmal in die kleine Kampagnenschule zum Nachsitzen.
Den Grünen (als Partei) geht an Machiavellismus ab, was Frau Baerbock (als Außenministerin) an Bellizismus zuviel hat.
Allerdings ist die Partei auch programmatisch unterversorgt. Siehe unten: Habeck.

Glaube – C R E D O
Mit Religion habe ich „nichts am Hut”, und „Gott” ist für mich eine variable Unbekannte in den Randgebieten wissenschaftlicher Suchbewegungen. Dennoch ist der Glaube auch in meinen Augen eine wichtige, weil mächtige, tja was: Instanz, Kategorie? … Triebkraft! Der Glaube setzt jene Kräfte frei, die es braucht, um in einer Situation der Unsicherheit, Gefahr oder Not zu bestehen. Glaube ist Energie. Unsere Zeit ist, meine Analyse, so katastrophogen, weil wir nicht mehr an Gott, den Sozialismus, oder König und Kaiser glauben (und nur in jungen Jahren an die Liebe). Es fehlt die Kraft, die Überzeugung, der Wille, es fehlen die „Mehrenergien”, um den Katastrophen zu trotzen. Im Hochparterre dieses Verlustes deutet sich aber auch an, was an die Stelle treten könnte: ein Entwurf, ein Konzept, eine glaubhafte Erzählung, in der technischer Wandel, ökologische Notwendigkeiten, europäische Identität und individuelle Wohlfahrt zusammengebracht werden.

Globalisierung
ist vorbei. Corona hat die Risiken der Abhängigkeiten sichtbar werden lassen, technisch und strategisch; der fehlende Durchgriff auf kritische Ressourcen wurde evident. Geopolitisch stehen wir am Beginn einer Phase „kontinentaler Blockbildung”, wenn nicht Konfrontation, als deren gefährlichste Konstellation sich eine russisch-chinesische Allianz erweisen könnte.
Bislang wirken in Europa alle maßgeblichen Kräfte zusammen, um neuerlich in Kleinstaaterei abzugleiten.
Ein Trauerspiel.
So eine geopolitische Sicht bekommt natürlich leicht einen „imperialen Zungenschlag”. Doch der Einwand führt in die falsche Richtung. Es geht um Skalen und internationale Handlungsfähigkeit. Natürlich könnte „der einzelne Europäer” auch ohne Europa in seiner Nation leben. Nur zeigt der russische Überfall auf die Ukraine, welche Risiken auch für die Einzelnen damit verbunden sind. Nicht immer gleichermassen dramatisch in ihren Ausprägungen: aber wirtschaftlich …, das genügte doch schon. In dieser historischen Situation ist das Versagen der europäischen Eliten fatal.

Habeck
Es war souverän und beispiellos, wie Robert Habeck die Energiekrise „für Deutschland” aufgelöst hat, ohne sich um die Befindlichkeiten seiner Partei zu scheren. Desgleichen seine Performance/Stamina bei Lanz und seine Videos nach dem Hamas-Terrorangriff und jetzt zum Neuen Jahr. Habeck zeigt Kanzlerformat. Der, wenn es denn dazu käme, das administrative und kommunikative Rüstzeug hat, tatsächlich etwas zu ändern – genau deswegen laufen die Kampagnen Sturm gegen ihn.
Habeck trägt schwer am Kreuz des Staatsmannes, ein Messias dagegen ist er nicht. Was fehlt, ist eine programmatische Ausrichtung seiner Partei, in der Ökologie und Technologie zu einer „wenigstens stagnationsfähigen“ wenn nicht schrumpfenden Ökonomie zusammengeführt, und in der Europa zur landing platform politischen Handelns erklärt werden. Auch er hat intellektuelle Altlasten.
Habeck re/agiert vorzüglich, ich erwarte aber auch ein Zukunft antizipierendes thought leadership.

Israel
Selten konnte man schärfer und trauriger beobachten, wie ein Land seine Geschichte wiederholen muss, weil es sie nicht verstanden hat, oder vielleicht sollte man besser sagen: nicht überwinden kann. Die historische Schuld Deutschlands macht es schwer, „unvoreingenommen” oder „neutral” oder überhaupt zu „diskutieren”, wie Israel agiert oder agieren sollte. Es ist – bekanntermassen – ebenso bedrückend, den Terror-Anschlag der Hamas, mit über 1500 Toten, zur Kenntnis zu nehmen, wie die „Statistik der Vergeltung”, die von mehr als 23.000 toten Palästinensern spricht, von 5.000 Verletzten auf Seiten Israels und von über 58.000 auf Seiten der Palästinenser. Beides ist schwer zu ertragen. So auch, wenn 1 israelischer Soldat gegen 1.000 palästinensische Gefangene ausgetauscht wird. So auch, wenn Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung des Gazastreifen und sogar 82% im Westjordanland hinter der Hamas stehen. So auch, wenn Israel den Gazastreifen in Schutt und Asche legt, und rechte Minister israelische Siedler ermutigen, sich im Gazastreifen niederzulassen.
Historisch ist der deutsche besonders, danach auch der europäische und zuletzt der weltweite Anti-Semitismus die Hauptursache des Zionismus – nicht zu vergessen, dass dessen Wurzeln bereits in der Bibel beschrieben sind (siehe Exodus 1-15). Nicht zu vergessen, dass es schon damals „Palästinenser” gab, die seit Urzeiten ihr Land bearbeiteten. Und nicht zu vergessen, dass die Palästinenser auch nicht „daran Schuld” sind, dass die internationale Staatengemeinschaft die Region Israel „den Juden” zusprach, ohne sich um das Schicksal der dort lebenden Bevölkerung zu scheren.
Wenn es einen gordischen Knoten von Ursachen und Wirkungen gibt: hier ist er.

Jugend
Unter dem Stichwort „Glaube” habe ich zusammengefasst, was fehlt – und zwar WEM, wenn nicht der Jugend. Allein die Worte: Extinction Rebellion, Last Generation, Fridays for Future, es könnte kaum deutlicher sein.
Auch in meiner Generation war die Parole vom Widerstand virulent! Natürlich kann und muss man den Boomern vorwerfen, dass und wie sie gelebt haben: Wachstum und Fremdlasten, Eigenheim und Zweitwagen, etc.pp..
Nur waren die 68er ff auch Boomer! So wie in jeder Generation, meine These, gibt es jene, die in der Mitte des Stromes mitschwimmen und jene, die versuchen, den Strom in eine andere, bessere Richtung umzuleiten. Es sind, Henne und Ei, die Propagandisten des Status quo und die Mehrheitsverhältnisse, damals wie heute, die bewirken, das nicht geschieht, was aber doch geschehen sollte. Wie jeder anderen Generation vor ihr auch, wird sich der heutigen Jugend die Frage stellen, wie lange sie noch dabei zusehen kann, dass ihre Zukunft vernichtet wird. Und welche Mittel geeignet erscheinen, dem Einhalt zu gebieten; die Auswahl verengt sich.

Klima
Noch einmal Guillaume Paoli:

„Die Überforderung versucht … jeder mit kleinen umweltschonenden Gesten und Verzichten einigermassen wettzumachen. So ehrenwert die Sorge um die eigene Umweltbilanz ist, überwiegt dabei der Eindruck, einen Flächenbrand mit einem Teelöffel löschen zu wollen.“ (S. 25)

Doch der Klimabewegung, auch der „internationalen“, fehlt die globale Perspektive. Ohne die Bevölkerungen von China, Indonesien, Indien, Russland, Brasilien, den „Öl-Staaten“ … bleiben die Proteste und Anstrengungen Beruhigungsaktionen. Richtig, aber ungenügend.

KI
Im Tractatus II schrieb ich: „Die KI kommt ins Hirn – oder umgekehrt.” (S. 74) Die technische Entwicklung (und deren Diskussion um Chancen und Gefahren) ist das Eine, beinahe wichtiger scheint mir die intellektuelle Disposition. Wie so oft, denken wir, hier jetzt als „Mehrheit”, als Gesellschaft, zu klein, zu zaghaft und – Ausnahmen bestätigen das – zu wenig vektoriell. Es stimmt, dass wir nicht wissen können, was geschehen wird; es stimmt aber auch, dass die Zukunft aus der Gegenwart wächst. Sie ist ein Vektor, dessen „Ausgangspunkt” im hier und jetzt liegt und dessen Richtung und Energieeinsatz ungefähr bekannt ist. Wenn man mit dem Bild eines Vektors arbeitet, muss man das Ziel nicht exakt benennen, um damit umzugehen (und ggf., später, nachzujustieren).
Mein Credo: Menschen müssen die KI in ihr Hirn lassen. Sonst, übrigens, sind sie ihr rasch (tatsächlich streckenweise schon jetzt) nicht mehr gewachsen.

Lüge (Fake News)
Noch ein schwieriges Thema: ich vertrete die „Viele-Welten”-Theorie, nicht die von Hugh Everett III., sondern meine eigene: Jeder lebt in seiner Welt. Was die Wahrheit ist, was Lüge oder Fake, darüber entscheidet der Standpunkt.
Ich war in Bo-Kaap; ein Stadtteil in Kapstadt, in dem fast nur Muslime wohnen. Über und über sind dort Häuser mit „Free Palestine”, „Free Gaza” und ähnlichen (auch Intifada-)Graffitis übersät, die ich übrigens auch schon in Johannesburg gesehen hatte. Hier, neben dieser Moschee, ist „in Wahrheit“ Israel der Terrorist. Hier, in Südafrika, werden Bürger strafrechtlich verfolgt, wenn sie die IDF unterstützen (– wie bei uns IS-Kämpfer!). Inzwischen verklagt Südafrika Israel vor dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen auf „Völkermord”. 
Wir können uns auf „die Wahrheit” nicht berufen, wir können sie – bestenfalls – verabreden.
Wahrheit ist ein Konsens.
Noch ein Nachsatz. Es gibt Sachverhalte: zwei Äpfel sind nicht zwei Birnen, das ist wahr. Wenn es um „die Wahrheit  geht, geht es nicht um Sachverhalte.

Meghan
Ich widerspreche der These, dass Harry und Meghan dem „Rassismus” des Königshauses entflohen sind – das erscheint mir als ein durchsichtiger Versuch, etwaiger Kritik an einer Firewall auflaufen zu lassen und politisch korrekte Bonuspunkte einzuheimsen. Ich glaube viel eher an den Standesdünkel (der rassistische Züge haben mag, aber eben nicht an der Hautfarbe kristallisiert). Die Welt, und vor allem ganz Britain, haben Meghan – eine künftige Königin?! – im Slip gesehen; ein hübscher Hintern, zugegeben, aber das geht ja gar nicht! Außerdem hat die Welt, und vor allem das gesamte Empire, keinerlei Zweifel, dass Meghan in Wahrheit Mike Ross liebt, mindestens aber über 10 Staffeln lang geliebt hat. Für den gemeinen britischen Royalisten, und mehr noch für die engagierte Royalistin (und vermutlich auch für die Royals selbst), wäre „so eine gebrauchte Frau” eine katastrophale Mesalliance.
Da, denke ich, lag der Hase im Pfeffer.

NATO
Man sagt, dass Totgeweihte kurz vor dem Ende noch einmal „aufblühen”, als könnte sich alles noch zum Besseren wenden. Ich habe das selbst mehrmals beobachten müssen. …
EUTO – das ist mein Credo; allerdings schon lange.

Otto
Neulich habe ich ein paar Sneakers gekauft: bei mir daheim, im Städtchen. Da gibt es auch einen Baumarkt, einen Optiker, … ja, viel mehr nicht. Aber immerhin: Buy local – WO es ein Angebot gibt, bevorzuge ich es. Deswegen: Otto? Find ich gut. Übrigens hab ich mich dazu „soeben” entschlossen.

Politik
Keine neue Erkenntnis: In der Politik geht es um das Abwägen, gelegentlich auch Ausgleichen, von Interessen sowie um die Kommunikation der Entscheidungen. Manchmal, eher selten, geht es um einen Inhalt selbst. Ach so, ja, ich vergaß beinahe: und meistens geht es um den eigenen Bauchnabel, die Karriere, eine Intrige. Das alles ist so, niemand, wirklich niemand, findet das gut; aber alle machen mit, und so scheint es unabänderlich.
Immerhin gibt es Organisationsformen, etwa den Ältestenrat des Bundestages oder „die fünf Weisen”, die relativ – natürlich nur soweit wir wissen – geräuschlos und „neutral” funktionieren.
Weniger als mein Credo denn als mein wishful thinking „fordere” ich ein Gremium, dass die wirklich fundamentalen politischen Fragen auf ihre zentralen Parameter herunterbricht, diese transparent gewichtet und in eine Sachempfehlung überführt, die der Bundestag mit zwei-Drittel-Mehrheit ablehnen müsste, um sie zu verwerfen. Natürlich hinge die „Neutralität” vom ausführenden Personal ab, und es ist conditio sine qua non, dass solche Personen keine politischen Ambitionen (mehr) verfolgen, ausser jener, die für das Land richtigen Entscheidungen zu finden; vergleichbar dem BVG, aber eben nicht in der Verfassungsperspektive sondern politisch.
Die hier zu entscheidenden Fragen würden durch ein Bürgervotum bestimmt und legitimiert.  

Parteien
Es liegt auf der Hand, dass die bestehenden Strukturen, seien sie von der Verfassung vorgegeben und/oder nur in die Praxis „eingewandert“, nicht (mehr) den politischen Notwendigkeiten gerecht werden. Es fällt mir schwer, dem tatenlos zuzusehen. Mindestens ebenso schwer fällt es mir, eine sinnvolle Forderung daraus abzuleiten; nicht, weil mir keine einfiele, sondern, weil wünsch-Dir-was keine politische Kategorie ist. Zumal es um mehr geht, als eine Spielstraße oder eine Ortsumgehung.
Für eine Politik auf der Höhe der Probleme (komm mir jetzt nicht mit „Herausforderungen“) wäre die Vorstellung von einer Reform – auch systemimmanent – nicht hinreichend; es braucht tatsächlich ein paar grundsätzliche Eingriffe. In der Wirtschaft gilt „Innovation” seit Jahren als der entscheidende Begriff, wenn es um Wettbewerbsfähigkeit geht; für die Politik scheint dieses Denken überfällig.
Wo, selten genug, das Thema einmal aufkommt, werden in der Regel Formate der direkten Demokratie gefordert – und im vorigen Paragrafen habe ich selbst von einem Bürgervotum gesprochen. Allerdings erscheinen mir weder Formen der Bürgerbeteiligung noch (relativ willkürlich bestimmte) Expertenräte (wie sie Gerhard Schröder gerne eingesetzt hat) als Allheilmittel. Mehr noch glaube ich, dass – obwohl als Forderung berechtigt – politische Innovation nicht mit ein paar launigen Stichworten abgehandelt werden kann. Die Republik leistet sich neuerdings einen Bürgerrat, der soll über Ernährung beraten. Zum „ausprobieren“ ist das kein schlechtes Thema, aber ohne dass dem Rat verbindliche Empfehlungen zugebilligt werden, produziert er nur Futter für die Presse. Insgesamt braucht es mehr Gehirnschmalz und eine systematische Herangehensweise – für die ich mich, leider, als unterqualifiziert ansehe.
Das Nadelöhr, durch das hindurch jede denkbare politische Innovation konzipiert werden muss, besteht auch hier in der sachgebundenen Neutralität. Man kann, um das am Beispiel zu zeigen, aus guten Gründen für oder gegen den Einsatz von Atomkraft sein; „gut” sind Gründe aber nur dann, wenn sie aus dem öffentlichen Interesse abgeleitet wurden, nicht aus wie auch immer anderen Einflüssen.
Parteiliche Einflussnahme, oder die von interessierten Lobbies jedweder Couleur, müssen, damit das was wird, ebenso unterbunden werden, wie das gespreizt-narzisstische Getue, für das Menschen ganz allgemein und Akademiker besonders, so anfällig sind.

Queer
Das Stichwort steht – bitte: nur in dieser Argumentation – als Platzhalter für alle „Identitäts-induzierten” Forderungen oder Fragestellungen, die Minderheiten oder gar Opfer legitimerweise vortragen. Was ist legitim? Alles, was für die Mehrheit gilt, muss auch für Minderheiten gelten. Es gibt spitzfindige Sonderfälle – sagen wir: ein „Adoptionsrecht für Päderasten” – die so nicht, gleichsam durch die Hintertür, legitimiert werden dürfen. Der in meinen Augen entscheidende Punkt ist, dass jede Minderheit, die für Rechte oder Ansprüche „kämpfen” muss, die sich die Mehrheit umstandslos einräumt, den „politischen Prozess” insgesamt gefährdert, sogar zerstört: die Aufmerksamkeit geht dann eben nicht auf das „Allgemeine”, das „Gemeinwohl”, sondern auf das Einzelne. Am Ende steht – wieder: divide et impera – eine politische Konfrontation der Sorte „Jede/r gegen Jede/n”.

Quote
Die Quote ist kein Sonderfall! Kritisch ist – und das mag auch an verschiedenen anderen Stelle gelten –, dass eine gesellschaftliche Praxis so eingefahren und gewohnheitsmässig stabilisiert ist, dass legitime Ansprüche dagegen gleichsam „naturgemäss” undurchsetzbar erscheinen.
Nochmal Hanno Sauer:

„Dies führte in vielen Fällen zur Einführung von »affrmative action« Programmen, die sich dem Gedanken »positiver Diskriminierung« zugunsten marginalisierter Gruppen verpflichtet fühlen. John F. Kennedys Executive Order 10925 erklärte die Benachteiligung auf der Basis von Rasse, Glaube oder Herkunft seitens der Regierung 1961 für rechtswidrig. Manchmal, so der Tenor des Gesetzes, muss aktiv versucht werden, zum Beispiel durch blinde Besetzungsverfahren oder explizite Quoten, die Unterrepräsentation bestimmter Gruppen in bestimmten Berufen zu korrigieren.“ (S. 260)

Damit das nicht bloßer Willkür unterliegt, muss, wenn von einer Quote die Rede ist, sie zeitlich und an Kriterien gebunden sein. Umgekehrt kann aber eine Quote auch nicht gegen das „nachgewiesene/offensichtliche” (Des-)Interesse der Quotierten durchgesetzt werden, nur weil das gerade so schick trendet: Wenn z.B. in einer Partei nur 30% Frauen vertreten sind, wäre eine 50%ige Quotierung der Führungsposten eine ungerechtfertigte Bevorzugung, keine Frage. Vermintes Gelände, streckenweise kompliziert.
Mit „one rule fits all” kommt man hier nicht zurecht.

Resistance
Das Gewaltmonopol des Staates steht in Konkurrenz zum Widerstandsrecht des Volkes. In der herrschenden Hysterie gelten bereits Klimakleber als „gewalttätig”; das ist lächerlich. Denn umgekehrt gelten Gesetze und Verfahren als legitim, die Folgen für Leben und Gesundheit haben und/oder in Kauf nehmen, und in einigen zentralen Fragen bereits mittelfristig existenzgefährdend für die Menschheit sind. In diesem Spannungsfeld ist der Gewaltbegriff - als solcher - bereits eine politische Waffe.
Und diese Diskussion wird sich zuspitzen, denn es ist nicht damit zu rechnen, dass nachwachsende Generationen tatenlos dabei zusehen, wie herrschende Umstände, und seien sie vormals für berechtigt oder gar notwendig erklärt, den Zukunfts”korridor” kontinuierlich verkleinern und (Über-)Lebenschancen verschlechtern.
Ein Bürgerkrieg ist nicht ausgeschlossen.   

Science Fiction
Gemeinhin wird SF in der Rubrik „Fantasy/Science Fiction” geführt. Das ist grausam! Natürlich gibt es auch in der SF jede Menge Schrott, aber selbst wenn „gute” SF nur als eine Minderheit in dem Genre vertreten wäre – und niemand hat sich die Mühe gemacht, das einmal zu prüfen –, so repräsentiert doch diese Qualitäts-SF das derzeit wichtigste Denken „über die Gesellschaft”! Während die Philosophie ihren Bauchnabel beschnurrt. Hier, und soweit ich sehe, nur hier (...fast), werden Entwürfe und Optionen verhandelt, die sich aus der stürmischen technischen Entwicklung ergeben. Hier und nur hier entstehen komplexe Gesellschaftsmodelle und/oder werden philosophisch wichtige, kritische Fragen verhandelt. Mehr noch: in dem „gute” SF sogar unterhält, leistet sie einen grösseren, breiteren Beitrag zur zukunftsorientierten Aufklärung, als 99% der übrigen (Unterhaltungs-)Literatur zusammen.

Sex
Keine Meinung. Würde nie etwas dazu sagen! Das Ausmass der pornographischen und sexualisierten Veröffentlichung korreliert mit dem Verfall des Politischen. Dabei bin ich kein Kostverächter!

Trump
Will sich die Dummheit Gehör verschaffen, wählt sie den Kandidaten. Die Dummheit ist in der Mehrheit. Es sei, sagt Sauer, jedoch ein Irrtum, zu glauben, dass die Mehrheit all den Quatsch glaubt, den der Kandidat von sich gibt. Im Gegenteil: alle wüssten um den Blödsinn; ihn dennoch zu behaupten sei ein Signal der Gruppenzugehörigkeit, ein Bekenntnis. Allerdings, wenn man etwas lange genug behaupte, glaube man es am Ende, und dann, erst dann, würde es gefährlich.
Ich schimpfe gern gegen „die Dummheit”; und doch fürchte ich, dass es das Versagen der Eliten ist, das der Dummheit den Steigbügel hält. Im Wahlkampf 2017 entsprach die negative Berichterstattung der „US-Qualitätsmedien“ einem Werbeetat von rund 500 Mio $ für den Kandidaten; soviel mehr musste Hillary Clinton ausgeben, um zu verlieren. Verfolgt man die NYTimes, so hat sie nichts daraus gelernt.

Überbevölkerung
Wer Ethik lehrt, muss sich nicht unbedingt auch zu demografischen Fragen verbreiten. Hanno Sauer (zufällig lese ich gerade sein überwiegend beeindruckendes Buch, das fast alle hier behandelten Stichworte streift; daher die Häufung der Zitate) vertritt auf S. 263 die Meinung, dass dem „Überbevölkerungsargument“ ein versteckter Rassismus innewohne, weil es

„meist ganz bestimmte Regionen auf der Welt sind, deren Reduktion gefordert wird. Norweger, so hat man den Eindruck, kann es nie genug geben.“

Die Perfidie seines Argumentes liegt darin, dass es stimmt, weil/obwohl auch die inkriminierte Forderung stimmt: Die Überbevölkerung wächst nicht in den entwickelten Nationen, im Gegenteil. Afrika, als Beispiel, wird seine Bevölkerung in den nächsten 30 Jahren mehr als verdoppeln. Was Sauer unberücksichtigt lässt, ist, dass mehr Menschen, egal in welche Region sie geboren werden, den Klimawandel treiben, allein dadurch, dass sie „da“ sind und „zusätzliche“ Verbräuche induzieren (müssen).

Unschuld
Ich befürworte gelebte Verantwortung und widerspreche, verachte sogar, deren Abgleiten in lip services und Ritualisierung. Das sozial riskanteste Beispiel ist die deutsche Schuld, die in der sogenannten „Erinnerungskultur” nachgerade abschreckende Züge angenommen hat (es gibt auch andere Beispiele). Mehr noch: die aktuelle Welle des Anti-Semitismus ist eine dialektische Folge der täglichen (oft genug sogar mehrfachen) Rede von der deutschen Schuld. Es änderte an der Schuld nichts, würde man sie nicht mehr im alltäglichen „mea culpa” verkapseln, ausspeichern, ja, verbannen und, wenn man ehrlich ist: von sich weisen; das ist die eigentliche Funktion des Rituals. Mit der Erinnerungskultur ist die vormals (notwendige) demütige Busse zu einem andauernden Freispruchsversuch verkommen.

USA
Ich habe den amerikanischen Pragmatismus lange bewundert: lieber mit 80% ein Ergebnis als 100% und keines. Dabei habe ich übersehen, dass in den 20% all das stattfindet, was das schnelle Ergebnis unterläuft und mittel- und langfristig sogar konterkariert; ich sag mal: Fremdlasten, Folgeabschätzung, Anschlussfähigkeit, Wiederverwertung, Optimierung …
Was ich von der politischen Entwicklung halte, sollte weitgehend klar sein; es bedarf aber noch des Hinweises, dass die Demokraten - leider - inzwischen nur noch graduelle Unterschiede auszeichnen. Biden hat die zurückliegende Periode mit Stolpern und Anstand gemanaged - den IRA durchzusetzen ist, unter den gegebenen Umständen, eine Grosstat. Dass er selbst nicht loslassen will, und die Partei keine Anstalten macht, es ihm nahezulegen, ist ein grosser Fehler. Dass die Demokraten das Gerrymandering mitmachen (wo sie können), die Waffengesetze nicht verschärfen, die PAC-Korruption nicht unterbinden u.a., spricht dafür, dass die Partei selbst sklerotische Erscheinungen aufweist.

Verteidigung
Als hätte er mein Stichwort geahnt, fordert Marc Saxer, ein etwas linker Sozialdemokrat, eine (leistungsfähige) deutsche Verteidigung. Auch wenn es um die Transformation der Gesellschaft geht, redet er in nationalen Grenzen. Dabei versteht er sich als Geopolitiker.
Ich dagegen spreche von einer EUTO.
Wer „die Probleme” – solange es nicht um Fusswege in der Innenstadt oder die gesetzliche Krankenversicherung geht – auf nationaler Ebene lösen will, hat, ich sagte es schon, den Schuss nicht gehört.

Weltraum
Für eine wachsende Community, als deren Sprecher sich Daniel Suarez mit zwei SF-Romane („Delta-V”, „Critical Mass”) empfohlen hat, wird der Weltraum zunehmend zu einem hoffnungsbeladenen Ausweg aus dem globalen Scheitern an den globalen Problemen. Bemerkenswert daran ist vor allem, dass einige der reichsten Erdenbürger Teil dieser Community sind, mal lauter, mal leiser: Elon Musk, Jeff Bezos, Richard Branson und andere. Daniel Suarez vertritt die These, man müsse kosmische Habitate entwickeln (wie die internationale Raumstation, nur viel grösser), und zeigt auf (deutet an), dass Asteroidenbergbau dabei eine entscheidende Rolle spielt, spielen könnte. Andere, darunter Elon Musk, favorisieren den Mars als „zweite Heimat”. Ich halte es mit Neal Stephenson, der in „7 Eves” „zeigt” (erzählt), welches Jammertal diese Aussichten versprechen.
Der dabei entscheidende Punkt ist: auch wenn „die Menschheit” ihre Hoffnungen auf eine kosmische Zivilisation richtet, haben „die Menschen” (8 Milliarden) wenig Aussicht, dorthin gerettet werden zu können. Bei Stephenson sterben alle, fast alle. Bliebe die Erde als Habitat erhalten, bliebe der Weltraum weiterhin ein gefährliches, nicht aber existentielles Abenteuer.

X (Twitter) – ein Platzhalter:
Abschalten. Verbieten. Vom Netz nehmen. Abwickeln. Die (a-)sozialen Medien schaden jeder Gesellschaft. Die Römer hatten einen „Volkstribun”, vox populi; sie wussten: lässt man das Volk auf den Senat los, geht der Staat über den Tiber.

Y
Generations X, Y, Z … Zu Y fällt mir nix ein, deswegen eine Bemerkung zur Kommunikation. Immer wieder habe ich erlebt, wie die Firewalls zwischen den Generationen nahezu unüberwindbar sind. In jeder Generation gibt es eine dominante Meinungsmitte, in der darüber verhandelt wird, was gesagt werden darf (und wie). Einer auch nur gering abweichenden Meinung, die (zudem) nicht im jeweiligen Idiom vorgetragen wird, droht sofortige Ex-Kommunikation, sozusagen wörtlich. Dann blitzen die Augen kurz von unten nach oben und das Schweigen wendet sich ab.
Überhaupt dieses Schweigen: nicht zurückrufen, nicht antworten, ignorieren. … Gewiss, manchmal gibt es dafür Gründe, aber „in der Regel”?
Einer der Gründe für die intellektuelle Insuffizienz unserer Epoche liegt in der Verweigerung von Kommunikation: so bleibt die jeweilige „Meinungsmitte” andauernd in der eigenen Bubble.
Ich kann das zwar „erkennen” und „benennen”, verstehen kann ich es nicht.

Zukunft
Ich habe immer die These vertreten, dass man seine Geschichte verstehen müsse … ja, ja, tausend Mal gehört. Inzwischen, gerade im letzten Jahr, habe ich begonnen, anders darüber zu denken: Medizin oder Gift - das ist eine Frage der Dosierung. Soll heissen: man wird die Zukunft vertändeln, wenn man sich in der Geschichte verbeisst.
Diese These lässt sich gut missverstehen.
Die meisten Bücher, die ich lese, haben einen dramatischen Aufschlag von der Sorte „Das Ende des Kapitalismus” (zufällig gibt es den Titel, ich meine es allgemeiner) – um dann ~258 von ~279 Seiten mit der Herleitung der Ökonomie seit Adam und Eva zu vertun, zweitausend Mal gehört, gelesen, diskutiert, … um dann, im Schlussspurt, ein paar halbgare „Wenn … dann” ’s vorzuschlagen. Ein „wirkliches” Nachdenken über Optionen, der wirkliche Mut zu Vorschlägen, das fehlt, wird vermieden; man könnte sich ja, in Anbetracht all des Scheiterns der Vergangenheit, sozusagen mit Naivität bekleckern.